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Mut tut gut – Krisen machen stark

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Willkommen im letzten Teil unseres Interviews mit Daniel Preßmar, Küschall-Botschafter und Rehab-Spezialist bei Invacare. Wir haben bereits über die körperlichen Veränderungen nach einer traumatischen Querschnittlähmung gesprochen. Wie hat Daniel die Krisen gemeistert und wie lebt er sein Leben heute im Rollstuhl?

Klartext statt Betroffenheit und Mitleid

Es gehört schon einiges an Mut dazu, seine persönliche Geschichte öffentlich zu machen. Daniel versichert uns aber, dass es wichtig ist, Klartext zu sprechen. Wie er damit auch anderen Rollstuhlfahrern helfen will, wird er uns heute erklären.

Daniel hält kurz inne, schaut aus dem Fenster und erinnert sich „Weißt du, ich bin 1,93 cm groß. Ich war immer schon extrem ehrgeizig. Sowohl in sportlicher als auch in handwerklicher Hinsicht. Hausumbau, Ladeneinrichtung – Ich habe alles selbst gemacht. Und sagen wir mal so: Sobald ich einen Raum betreten habe, war mir ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit sicher.“ Er schmunzelt selbstbewusst.  Ob ihn die Aufmerksamkeit, die er jetzt im Rollstuhl erhält, irritiert? „Ich definiere mich nicht als Rollstuhlfahrer. Und das Letzte was Menschen, die im Rollstuhl sitzen, brauchen, ist Betroffenheit oder Mitleid. Wenn du leben willst, musst du irgendwann aus der Trauerphase hinauswachsen. Helfen können dir hier nur Menschen, die an dich glauben und dir Mut machen.“

Demut ist kein Zeichen von Schwäche

Niemand kann permanent stark sein. Selbst ein Optimist erlebt Momente, in denen er mit seinem Schicksal hadert. „Ich werde täglich geerdet. Unter meinen Rollstuhl-Kunden sind Menschen, deren Krankheitsverlauf dramatisch ist und deren Schicksale mitunter auf einen schnellen Tod hinauslaufen. Das macht mich demütig.“ Ich bewundere Daniels Mut zur Demut. Vielleicht macht ihn das gerade als Rehab-Spezialist so glaubhaft und vertrauenswürdig.

Andererseits: Ist das nicht eine Zusatzbelastung?  Wie geht der Profi damit um? „Es stimmt, vieles ist belastend. Richtig ist auch, dass ich für mich selbst schon viel Energie brauche. Ich habe da aber so eine Art „Schutzschild“ und sorge für Ausgleich zuhause: Bewegung in der Natur, Spaß mit Familie und Freunden.

Einfach Mensch sein

Hattest du früher die gleichen Ziele und Prioritäten oder hat dich die Querschnitt verändert? „Früher war ich ein erfolgreicher Geschäftsmann im Einzelhandel mit eigener Metzgerei und Gastronomie. Ich hatte zwei Betriebe und eine Bilderbuchfamilie mit kleinen Kindern, einem Labrador und einem SUV. Leider habe ich mir nie die Zeit genommen, dieses Glück zu genießen und den Menschen in meinem Leben mehr Zeit zu schenken.

Heute sehe es ich als meine Aufgabe, anderen in ähnlichen Situationen Mut zu machen. Besonders im Job: Sanitätsfachhändler rufen mich, weil sie nicht an den Menschen rankommen. Aber auch ich muss mich vorsichtig an Menschen herantasten – viele sagen auch „ich werde eh wieder gesund, ich werde wieder gehen. Ich will kein Rollstuhlfahrer sein.“ Das finde ich nicht richtig. Ich bin in erster Linie MENSCH, nicht Rollstuhlfahrer. Es ist wirklich eine Frage des Selbstverständnisses. Wie andere dich sehen, ist unwichtig.“

Das heißt, du bist als Rehab-Spezialist im Außendienst nicht nur auf der ständigen Suche nach dem passenden Rollstuhl und der perfekten Positionierung, sondern bist auch Vorbild dafür, wie man mit einer erworbenen Behinderung umgehen kann?

Meine Behinderung hindert mich nicht daran, glücklich zu sein

„Natürlich will ich die bestmögliche Versorgung sicherstellen. Genau deshalb ist es so wichtig, sich Zeit zu nehmen für die individuellen Bedürfnisse. Je nach Krankheitsbild – ALS, MS, Spina Fida, Spastiker –  sind die Anforderungen an Hilfsmittel völlig verschieden. Vertrauen aufzubauen fällt mir sicher leichter, weil ich selbst darauf angewiesen bin. Ich kenne die Herausforderungen, aber ich sehe mich nicht als behindert. Der Rollstuhl ist nicht nur mein Fortbewegungsmittel. Im Gegenteil: Mir liegt sehr viel daran, gerade frisch Betroffenen die Vorstellung zu vermitteln, dass der Rollstuhl etwas Positives ist, der dich weiterbringt. In unserer Gesellschaft findet ja seit einiger Zeit ein Umdenkprozess statt. Früher wurden behinderte Menschen weggesperrt, heute müssen wir nur noch verstehen, dass ein Rollstuhl kein Hinderungsgrund ist, erfolgreich, zufrieden und glücklich zu sein“

Krise als Katalysator für ein zufriedenes Leben?

So manche Lebenskrise erscheint wie eine Sackgasse. Nichts geht mehr. Krisen, so sagt man aber auch, machen stärker. Aus Daniels Sicht steckt noch mehr dahinter: „Der Mensch braucht Krisen, um weiterzukommen. Eine Krise ist nur ein Problem, das man nicht kennt und wofür man noch keine Lösung hat.“

Was macht dich selbst glücklich und zufrieden? „Das größte Gut sind soziale Kontakte: Freunde, Familie, Eltern, Großeltern, Kinder. Ein gutes soziales Netz in geborgener Umgebung. Dafür sollten wir uns alle mehr Zeit nehmen.“

Vielen Dank für deine Offenheit und den Mut, deine Geschichte mit uns zu teilen, Daniel!

 

Autor: Claudia Poguntke