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Dekubitus-Prophylaxe: Wieso sind die Form und die Auswahl meines Rollstuhlkissens so wichtig?

Dekubitus, Rollstuhl, Sitzkissen
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Eine Größe und eine Form – das passt nicht jedem!

 

Das Ziel bei der Auswahl eines Rollstuhlkissens und eines Rückensystems ist es, die persönlichen Positionierungsbedürfnisse bestmöglich zu unterstützen. Dazu gehört auch eine Dekubitus-Vorsorge. Der Rollstuhl selbst fördert die funktionelle Mobilität und Aktivität.

Um die Produkteigenschaften und -vorteile eines Rollstuhlkissens beurteilen zu können, empfiehlt es sich, kompetente Sanitätsfachhändler aufzusuchen. Diese können dir bei der Beurteilung deines Rollstuhls und des Rollstuhlsitzes helfen, um ein Rollstuhlkissen zu finden, das auf deine Bedürfnisse abgestimmt ist.

Im Laufe des Tages wechseln wir mehrfach unsere Körperhaltung. Es gibt eine Ruheposition, in der unsere Muskeln und der Körper entspannen können, eine aktive Haltung, die uns erlaubt bei Aktivitäten mitzumachen, und eine Körperhaltung zur Druckentlastung, die uns dabei hilft, unsere Haut intakt zu halten.

 

Dekubitus-Vorsorgeprinzipien

 

Ganz egal, ob du einen Elektrorollstuhl oder einen manuellen Rollstuhl als primäres Mobilitätsmittel verwendest: Immobilität allein ist schon ein hoher Risikofaktor für Dekubitus. Direkter Druck ist eine vertikale Kraft auf den Körper.

Druck = Kraft geteilt durch Fläche

Je größer die Fläche ist, um den Druck auf dein Gesäß und deine Oberschenkel zu verteilen, desto geringer ist der Gesamtdruck auf deine Knochen und dein Gewebe. Eine große Sitzfläche bietet somit die beste Möglichkeit, um den Gesamtdruck beim Sitzen zu verringern. Anhand deiner Körpergröße werden für deinen Rollstuhl die Größe des Sitzes und die Größe des Sitzkissens ermittelt. Wenn beide die richtige Größe haben, kannst du den Gesamtdruck beim Sitzen verringern. Wenn beides zu klein ist, kann es den Druck auf dein Gesäß erhöhen und zu Dekubitus führen.

Die manuelle Druckentlastung hängt mit der Fähigkeit zusammen, deine Position im Rollstuhl selbstständig ändern zu können. Das hilft dir dabei, das Risiko von Druckstellenbildung unter deinen Sitzbeinhöckern (Tuber ischiadicum) zu verringern. Falls es dir nicht möglich ist, dein Gewicht im Rollstuhl selbständig zu verlagern, kann dein Therapeut dir bestimmt andere Hilfsmittel empfehlen. Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit, einen Elektrorollstuhl mit elektrischer Sitzverstellung zu nutzen. Vor allem der elektrisch verstellbare Sitzwinkel und die elektrische Rückenverstellung helfen dir dabei, dein eigenes Gewicht zur Druckentlastung zu verlagern. Neben dem positiven Effekt des reduzierten Sitzdrucks, kannst du über die Veränderung deiner Sitzposition auch deine Körperhaltung unterstützen. Du verbesserst dein Gleichgewicht beim Sitzen und erhöhst deinen Sitzkomfort.

Im Folgenden findest du die Erläuterung von einigen Begriffen, die dein Therapeut oder die medizinische Fachkraft verwenden könnten, wenn sie dir Rollstuhlkissen zeigen oder du diese testest.

 

1. Beckenstabilität

Der Begriff Beckenstabilität beschreibt die Position des Beckens in einer „neutralen Position“. Das heißt, es ist nicht rückwärts oder vorwärts rotiert. Die Beckenstabilität wird über die Anpassung der Kissenoberflächenkonturen an die Gesäßkonturen erreicht. Wenn das Becken stabil ist, ist auch die Wirbelsäule stabil, da beide miteinander verbunden sind. Wenn die Wirbelsäule stabil ist, kann man seinen Rumpf strecken, so dass sich der Brustraum weitet. Dies unterstützt die Atmung, die Verdauung und andere physiologische Funktionen des Körpers.

Die Stabilisierung des Beckens und der Wirbelsäule ist für jeden wichtig. Ohne diese Stabilität, könnte man seine Arme nicht benutzen, ohne dabei das Gleichgewicht zu verlieren. Dies ist für viele Tätigkeiten unverzichtbar, wie beispielsweise das manuelle Antreiben des Rollstuhls oder das Greifen.

 

2. Immersion – Einbettung

Der Begriff Immersion beschreibt den Zustand, in ein Kissen einsinken zu können, ohne die Sitzfläche darunter zu berühren. Die Immersion maximiert die Kontaktfläche zwischen dem Nutzer und dem Kissen. Am häufigsten wird dieser Begriff im Zusammenhang mit den Sitzbeinhöckern (Tuber ischiadicum) am Becken verwendet. Um den punktuellen Druck unter den Sitzbeinhöckern zu reduzieren, sollte die Auflagefläche erhöht werden. Dies wird durch das Einsinken in das Rollstuhlkissen erreicht.

 

3. Entlastung

Das Prinzip der Entlastung sorgt für eine Übertragung der Kräfte, die auf die Sitzbeinhöcker wirken. Sie werden auf die Oberschenkelknochen und das Oberschenkelgewebe übertragen. Mit einer geringeren direkten Druckbelastung auf diese Knochenvorsprünge, verringern wir die Auftrittswahrscheinlichkeit von Dekubitus.

 

4. Umhüllung

Das nächste Konstruktionsprinzip wird Umhüllung genannt. Das Material des Rollstuhlkissens umgibt oder hüllt die knochigen Vorsprünge ein, um so bei der Verteilung des Drucks  über die gesamte Kissenoberfläche mitzuhelfen. Dadurch wird der Druck unter den knöchernen Vorsprüngen verringert.

 

5. Scherkraft-Management

Ein gutes Scherkraft-Management kann man über ein speziell konstruiertes Rollstuhlkissen erreichen. Das Material des Kissens sollte sich bei Körperbewegungen mitbewegen können. Dadurch verringern sich Scher- und Reibungskräfte auf Haut und Knochenvorsprüngen, wodurch Nekrosen und Dekubitalulzera minimiert werden. Scherkräfte sind parallele Kräfte, die dazu führen, dass sich das Gewebe unter der Haut verformt.

Durch die Scherkraft werden Flächen in Relation zueinander verschoben. Das heißt die Scherung führt bei der Entstehung eines Dekubitus dazu, dass sich Hautschichten verschieben. Dabei verschiebt sich jedoch nur die oberste Hautschicht und die unteren nicht. Die Folge davon können Blutzirkulationsstörungen und Verletzungen sein.

 

6. Reibung

Wenn eine Oberfläche gegen eine andere reibt, entsteht ein Widerstand, der Reibung genannt wird. Ob es eine starke Reibung gibt, hängt von dem Kissenbezug des Rollstuhlkissens und deiner Kleidung ab. Je nachdem wie stark sie ist, kann sie zu Schäden an deiner Haut führen und folglich zu Schäden am Gewebe deines Gesäßes.

 

7. Temperatur und Feuchtigkeit

Temperatur und Feuchtigkeit haben direkten Einfluss auf die  Entstehung eines Dekubitus. Die Haut und das Gewebe sind bei erhöhter Körpertemperatur anfälliger für Druckverletzungen.

 

 

Es gibt wichtige Produktmerkmale, die du bei der Auswahl eines Rollstuhlkissens beachten solltest:

 

  • Die Form und die Materialien, aus denen das Rollstuhlkissen besteht.
  • Das Gesamtgewicht des Rollstuhlkissens, insbesondere wenn es mit einem Leichtgewichtrollstuhl kombiniert wird.
  • Pflege und Wartung des Rollstuhlkissens: Muss es aufgepumpt oder geknetet werden, um seine Wirksamkeit zu erhalten?
  • Die Temperatur und das Klima, in dem das Rollstuhlkissen verwendet wird. Die Wirksamkeit des Materials kann dadurch verändert werden. Dies nimmt folglich Einfluss auf die Positionierung und die Druckentlastung.
  • Wie wirken sich die Form und die Größe auf den Transfer aus? Wie einfach ist es, sich auf dem Kissen vorwärts zu bewegen, um in den Rollstuhl hinein oder aus ihm heraus zu kommen?

 

 

Denk daran, dass dir eine Beurteilung durch einen Rollstuhl-Fachhändler dabei hilft, deine individuellen Sitzbedürfnisse zu bestimmen. Dadurch können Druckverletzungen wie Dekubitus minimiert werden. Ein Fachhändler beurteilt deine Hautintegrität, dein Gleichgewicht im Sitzen, Ungleichmäßigkeiten deiner Wirbelsäule, deine Bewegungsfreiheit, deine Flexibilität, den Tonus deiner Muskulatur und deine Reflexe. Diese Faktoren helfen unter anderem bei der Auswahl eines Rollstuhls und eines passenden Sitzsystems.

 

Autor:  Lois Brown